Der Podcast zum Nachlesen

aufgezeichnet am 21.1.2025 im Rechenzentrum

Franziska Koch (Volt)

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Zu Gast bei uns im Lilabor im Potsdamer Rechenzentrum ist heute Franziska Koch. Franziska ist Brandenburger Spitzenkandidatin für VOLT Deutschland – einer noch jungen Partei, die erst zum zweiten Mal bei einer Bundestagswahl antritt. Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung kennt VOLT bereits, mit Benjamin Körner hat die Partei hier bereits einen Sitz. Bei der Landtagswahl hat es leider nicht gereicht – nun folgt der nächste Versuch auf Bundesebene. Schön, dass es mit uns noch geklappt hat.

Zum Einstieg wollen wir gern eine kleine Entweder-Oder-Runde starten. Bereit?

Franziska Koch (VOLT)

Ja.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

7 Uhr oder 9 Uhr?

Franziska Koch (VOLT)

9.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Potsdam oder Berlin?

Franziska Koch (VOLT)

Potsdam.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Kita für die Kinder oder Kita für die Wirtschaft?

Franziska Koch (VOLT)

Kita für die Kinder.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Gießkanne oder Schlauch?

Franziska Koch (VOLT)

Gießkanne.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Noten oder keine Noten?

Franziska Koch (VOLT)

Keine Noten.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Instagram oder Tagesschau?

Franziska Koch (VOLT)

Tagesschau.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Gymnasium oder Gemeinschaftsschule?

Franziska Koch (VOLT)

Gemeinschaftsschule.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Mittagsschlaf oder Mittagsruhe?

Franziska Koch (VOLT)

Mittagsruhe.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Reden oder machen?

Franziska Koch (VOLT)

Machen.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

looking for Freedom oder Wind of change?

Franziska Koch (VOLT)

Wind of change.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Ja, vielen Dank. ann gehen wir jetzt mal ins Detail. Wobei – lass uns kurz erstmal noch auf VOLT blicken. Ihr bezeichnet euch als “einzige gesamteuropäische” Partei und vielleicht deshalb brachte die Europawahl 2024 euer bestes bisheriges Ergebnis. Bei der letzten Bundestagswahl habt ihr 0,4 %, bei der brandenburgischen Landtagswahl 0,9 % der Wähler*innenstimmen erhalten.

Warum klappt es am 23. Febuar mit dem erstmaligen Einzug in den Bundestag?

Franziska Koch (VOLT)

Ja, also wir sind ja eine Partei, die zukunftsgerichtet ist. Das heißt, wir blicken in die Zukunft, so auch unser Wahlprogramm. Also so ist auch unser Wahlprogramm letztendlich ausgerichtet. Wir haben pragmatische, fortschrittliche Lösungen und denken eben europäisch. Aber dann wollen eben diese europäischen Best Practices, die wir in anderen Ländern haben, auch auf der Bundesebene anwenden und wir glauben einfach daran, weil wir einen Riesenschwung gekriegt haben durch neue Mitglieder. Unheimliche Unterstützung jetzt auch durch die Bevölkerung bekommen haben, als wir die ganzen Unterstützungsunterschriften gesammelt haben und sind einfach davon überzeugt, dass wir mit unserem Wahlprogramm ganz viele Menschen erreichen können, die Veränderungen wollen und die positiv und fortschrittlich in die Zukunft blicken möchten. Deswegen glauben wir, dass wir das schaffen werden.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Ja, vielen Dank. Vor vier Jahren, als wie unsere letzte Podcast-Runde zur Bundestagswahl gedreht haben, war Corona noch ein bestimmendes Thema. Damals war die große Rede davon, dass nach der Pandemie gerade für die Jüngeren – also für die Kinder und Jugendlichen – etwas getan werden muss, da sie als Bevölkerungsgruppe besonders unter den Auswirkungen zu leiden hatten.

Wie ist dein Eindruck – ist das erfolgt, und wenn dann auch ausreichend oder haben die Krisen der letzten Jahre hier andere Prioritäten gefordert? Wo gibt es Aufholbedarf?

Franziska Koch (VOLT)

Ja, das war ziemlich viel grad auf einmal. Aber ja, tatsächlich kann ich auch ein Stück weit aus eigener Erfahrung sprechen. Also Corona hat uns auch mächtig überrannt als Familie mit 2 Kindern, die unterschiedliche Bedarfe haben. Ein Kind war zu der Zeit im Kitaalter, das andere Kind war im Schulalter und wir mussten halt beides zusammenbringen und es war wirklich eine Herausforderung. Es war, glaube ich, für viele Familien, die das eben konnten, die den Beruf hatten, ein Glück, dass häufig Homeoffice eingeführt worden ist. In vielen Bereichen ist Homeoffice auch geblieben, also das heißt, diese flexible Möglichkeiten haben wir immer noch, aber die Herausforderungen und das sieht man immer noch an den Kindern und Jugendlichen, die unter anderem sich in der Schule zeigen, aber auch im Alltag. Und mir ist es, glaube ich, auch wichtig zu sagen, dass wir heutzutage nicht nur eben als, also die Nachwirkung von Corona haben, sondern ganz viele Krisen momentan eine Rolle spielen, wie eben Krieg, die Klimakrise und das alles beschäftigt Kinder und Jugendliche. Also ich merke das auch selbst bei meinen Kindern, dass das immer und immer wieder n Thema ist. Sie kriegen das eben auch mit in der Tagesschau oder durch andere Medien und es gibt verschiedene Studien, die sich ja auch schon damit beschäftigt haben.

Ich hatte tatsächlich eine mitgebracht, von der Robert Bosch Stiftung vom letzten Jahr, 2024. Die haben untersucht, welche Sorgen und Belastungen 8 bis 17 Jahre alte Kinder und Jugendliche haben, und da waren es eben 39%, die gesagt haben, Krieg auf der Welt, danach kommt schlechte Schulleistung, Klima und Umweltkrise, Zukunft, Ungleichbehandlung wegen Herkunft, finanzielle Sorgen der Familien, Einsamkeit und da merkt man einfach, wie groß diese Probleme momentan sind und wie vielschichtig und vielseitig.

Und ich habe jedenfalls – auch aus persönlicher Sicht – nicht den Eindruck, dass wir hier genug getan haben. Wir brauchen unbedingt noch mehr Projekte, Präventionsprojekte, die direkt auf die Familien auch zugehen und Angebote, um diese Kinder und Jugendlichen abzuholen.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

In eurem Wahlprogramm schreibt ihr, dass ihr bereit seid für das Bildungssystem der Zukunft. Ihr fordert einheitliche Qualitätsstandards, effiziente Ressourcennutzung und kostenfreie Bildung von kleinauf. Ihr beschreibt ein diskriminierungsfreies Bildungssystem mit den allerbesten Arbeitsbedingungen.

Was denkst du, warum sind nicht auch schon andere Parteien auf diese Idee gekommen – oder woran liegt es, dass all das bislang nicht angegangen wurde? Wie begegnet ihr den Vorbehalten der Bundesländer, die ganz schnell ihre Hoheit in der Bildungspolitik gefährdet sehen?

Franziska Koch (VOLT)

Ja, tatsächlich ist es ein ganz großer Punkt bei uns, diese Qualitätsstandards hochzuhalten. Uns ist es vor allen Dingen aber auch wichtig und ich glaube, das ist der springende Punkt, dass wir ganz stark auch wirklich sagen, „wir sind eine junge Partei und wir richten uns eben auch mit dem ganz starken Fokus auch auf Kinder und Jugendliche“. Weil Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft und wir dürfen nicht vergessen, auch mit dem demografischen Wandel im Hintergrund, dass Kinder und Jugendliche momentan eine Minderheit darstellen in unserer Gesellschaft, und die haben keine Lobby und deswegen ist es, glaube ich, einfach, ich kann nicht so … Ich möchte jetzt nicht unbedingt über andere Parteien so sehr urteilen oder Bashing betreiben, deswegen halte ich mich da ein bisschen zurück. Aber wenn ich persönlich hier wäre, würd ich wahrscheinlich anders antworten, aber letztendlich find ich es eben wichtig, hier Schwerpunkte zu setzen und sie sind nicht genug gesetzt worden. Und das hängt damit zusammen, denke ich, dass sich niemand so richtig dran traut, wirklich die großen und entscheidenden Schritte zu machen. Und wir haben, wenn wir große Probleme haben, müssen wir auch große Schritte bei der Lösung machen. Eine Sache, die wir eben sagen oder die wir fordern, ist einheitliche Qualitätsstandards, das hattest du schon gesagt, aber eben auch eine schrittweise Auflösung des Föderalismus in der Bildung, also dass dieses Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgehoben wird. Dass wir Staatsverträge schließen, wo eben tatsächlich diese Qualitätsstandards durch bestimmte Zuständigkeiten auch in den Ländern wiederzufinden sind, die von der Bundesebene gesetzt werden. Und wir brauchen halt auch ja bundesweite Gremien, die dafür sorgen, dass diese Qualitätsstandards umgesetzt und eben auch überprüfen, ob diese dann tatsächlich durchgeführt worden sind.

Auf der anderen Seite für Kinder und Jugendliche ist es zum Beispiel auch wichtig, dass wir hier auch schauen, dass es auch bei uns im Wahlprogramm ganz wichtig mit dabei, dass wir eben sagen, „Wir brauchen Bürgerbeteiligung“, das heißt eben auch nicht nur für die Erwachsenen, sondern auch für Kinder und Jugendliche. Also wir waren Zukunftsräte einrichten und dazu zählen natürlich auch idealerweise über alle gesellschaftlichen Gruppen hinweg, eben auch für Kinder und Jugendliche, die dann ein echtes politisches Mitspracherecht haben und dass sie endlich gehört werden und nicht einfach immer nur benachteiligt werden.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Total großartig aus dem Blick der Kinder und Jugendlichen auf jeden Fall. Im Wahlprogramm widmet ihr euch auf zweieinhalb Seiten der frühkindlichen Bildung – das ist mehr, als alle anderen Parteien zu diesem, unserem Thema schreiben. Glaubst du, das Bewusstsein dafür, dass Kita nicht primär ein Betreuungsangebot ist, sondern einen wichtigen Baustein in der Bildungsbiografie eines jeden Kindes bildet, ist in der Bundespolitik angekommen?

Franziska Koch (VOLT)

Ich glaube, wenn man jetzt Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf fragen würde, dann würden alle sagen,“ ja, ja, ist ganz wichtig“, aber ehrlicherweise habe ich tatsächlich selbst nicht den Eindruck, also selbst aus privaten Erfahrungen heraus, aber eben auch, wie ich das beobachte und da habe ich tatsächlich nicht den Eindruck und man hört es ja auch immer wieder, diese klassischen Vorurteile. „Na ja, das ist doch nur ein bisschen auf Kinder aufpassen“ und das ist eben nicht. Die Wissenschaft zeigt ganz klar, dass wenn der Start in der frühkindlichen Bildung nicht gelegt worden ist für die Bildung und keine guten Staatschancen bestehen –  also vor allen Dingen die Sprache ist hier ein ganz großer, ausschlaggebender Faktor – aber natürlich auch, dass man Familien unterstützen mit weniger guten sozioökonomischen Hintergründen und dass , wenn das da nicht schon funktioniert, dass sich das über den ganzen Bildungsweg hinweg zeigt und dieses dreigliedrige Bildungssystem, was wir haben, verstärkt das halt noch mehr. Ja, weil immer an verschiedenen Stufen diese Menschen selektiert oder diese Kinder selektiert werden können. Und ich sehe das eben nicht, dass hier wirklich Politikerinnen und Politiker sich, wenn sie dann in der Regierungsverantwortung sind, sich hinstellen und sagen, ja, das ist uns wichtig und wir müssen halt hier investieren.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Ja, über fast allem steht in diesem Bereich auch das Thema Fachkräfte. Im Osten sorgt ja aktuell die sinkende Geburtenrate für freie Kitaplätze. Mehr Personal für weniger Kinder – könnte man denken. Eine echte Qualitätsoffensive – könnte man denken. Doch nein, weniger Kinder bedeutet auch, dass weniger Fachkräfte finanziert werden. Das Problem – zu wenig Fachkraft pro Kind – bleibt also. Hoch qualifizierte Fachkräfte, um die Jahre lang gerungen wurde, müssen entlassen werden, obwohl die sozialen Auffangsysteme überlaufen und Termine zum Beispiel bei Psycholog*innen und Therapeut*innen nicht zu bekommen sind.

Wäre jetzt nicht also der beste Zeitpunkt, Verbesserungen zu schaffen, um das System in der Hinsicht grundlegend zu verbessern? Was hält eigentlich davon ab?

Franziska Koch (VOLT)

Tja, was davon abhält?  Das kann ich leider gar nicht so sagen, weil wir ja gar nicht in dieser Regierungsverantwortung sind und an den entscheidenden Faktoren etwas jetzt ändern können. Aber wir wollen etwas daran ändern und es ist vollkommen der falsche Weg zu sagen, wenn wir jetzt diese Kapazitäten haben, und endlich ja eigentlich, wenn die Geburtenrate runtergeht, dann tatsächlich auch sagen können, „na super, wir können eigentlich dann sogar bessere Betreuungsschlüssel dann auch haben, ja, also in den Kitas, in den Einrichtungen“. Dass man nicht diese Chance jetzt ergreift und sagt, „super, wir haben sozusagen eine Entlastung im System, weil  weniger Kinder dann gibt, und dann haben wir mehr Betreuungspersonal“, sondern dass dann runterzufahren, dass ist die vollkommen falsche Richtung und der falsche Ansatz, weil so werden die nichts verbessern, sondern es wird ja dann nur genau wieder dieselbe Betreuungskrise weiter fortgeführt, die wir jetzt aktuell schon haben.

Und es ist vor allen Dingen, glaub ich, auch für alle Fachkräfte, die da kommen sollen oder motiviert werden sollen, für diesen Job vollkommen ein falsches Zeichen. Wenn man jetzt sagt, „Na ja, da sind dann weniger Kinder und dann streichen wir halt eure Stellen“ und das ist nicht motivierend.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Das Fachkräfteproblem besteht ja auch in anderen Bereichen, also nicht nur in Kitas und Schulen. Welche Möglichkeiten siehst du vielleicht sogar als für die Gesellschaft und für den Staat bei dieser Diskussion im Fachkräfte regulierend einzugreifen und vielleicht besonders Berufe zu fördern, die es in Zukunft so wirklich braucht, damit eben nicht die Menschen durch die Wirtschaft mit viel Geld gelockt werden, sondern dass unser ja gesamtgesellschaftliches soziales Leben noch funktionieren kann?

Franziska Koch (VOLT)

Genau. Also wichtig ist es, wie ich von am Anfang schon sagte, dass wir die Kinder und Jugendlichen mehr in den Fokus holen, weil sie sind auch unsere Zukunft. Also wenn wir hier in die Bildung investieren, dann hat das auch wieder positive Auswirkungen, natürlich auch für die Wirtschaft und unseren Fachkräftemangel in Zukunft, und das haben tatsächlich auch schon teilweise Unternehmen auch erkannt, also selbst die Wirtschaft sagt ja, „wir können mit den Menschen, die jetzt aktuell in Ausbildung kommen, teilweise nicht mehr richtig arbeiten“, und wir haben dann Fachkräftemangel eben auch unter anderem, weil die Menschen nicht mehr die Kompetenzen mitbringen,  die aber Unternehmen benötigen. Und das setzt ja nicht erst in der Ausbildung an oder am Ende der Schule, sondern es setzt ja viel früher an und mit dem Fachkräftemangel müssen wir entgegenwirken. Mit attraktiven Arbeitsbedingungen zum Beispiel eben im Kitabereich.

Ich bin aus allen Wolken gefallen, als meine Erzieherin das damals erzählt hatte, dass sie während ihrer Ausbildung keine Vergütung erhalten hat. Da hab ich gedacht, „bitte, bitte, was, ja?“.

Und das ist ja etwas, was auch bei uns explizit im Wahlprogramm drin. Wir wollen, dass die Ausbildung finanziell unterstützt wird, also das Personen in diesen Bereichen tatsächlich eine Entlohnung bekommen, oder ein Gehalt. Dass diese Ausbildung attraktiv wird und wir hier diesen Fachkräftemangel auf dieser einen Seite mit finanziellen Anreizen natürlich, wenn man es so nennen will, dann auch entgegenwirken kann, aber auf der anderen Seite auch mit gezielter Werbung beispielsweise. Wir brauchen nationale Kampagnen, um darauf aufmerksam zu machen, das Ganze attraktiv zu machen, vor allem zum Beispiel. Es ist ja immer noch so, dass der Erzieherinnenberuf eher Frauen dominiert ist. Es müssen mehr Männer hier reinkommen zum auf die Akzeptanz der Gesellschaft da sein, dass eben auch ja Männer in Krippen dann zum Beispiel arbeiten und das es dann nicht mehr ein Thema ist, dass ein Mann ein Baby oder ein Kleinkind wickelt. Ja, also das sind so Sachen, die habe ich alle mitbekommen, die habe ich gehört und es sind immer noch so Vorurteile, die da mitschwingen. Ich glaube, damit muss auch vor allen Dingen die Politik eben, wenn die dann entsprechend auftritt, auch aufräumen damit. Und das ist halt etwas, wo ich sage, das ist nicht nur etwas, was sich am System ändern muss, sondern auch tatsächlich in der gesamtgesellschaftlichen Einstellung ein Stück weit.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Als KiTa-Elternbeirat engagieren wir uns in verschiedenen Bündnissen, unter anderem dem Bündnis KiTA !ST, dem KiTAKOLLAPS-Aktionsbündnis und der bundesweiten Kampagne Bildungswende JETZT. Letztere hat sich in den vergangenen zwei Jahren aus einer Vielzahl von Bildungsbetroffenen gebildet, ihr im September 2023 veröffentlichter Appell wird getragen von fast 300 Organisationen. Gemeinsam fordern sie

1.) Schule und Kita INKLUSIV und ZUKUNFTSFÄHIG zu machen,

 2.) eine AUSBILDUNGSOFFENSIVE für Lehrer*innen und Erzieher*innen,

3.) eine SONDERVERMÖGEN Bildung mit nachfolgend ausreichender Finanzierung sowie einen vom Bundeskanzler einberufenen BILDUNGSGIPFEL auf AUGENHÖHE.

Was sind aus deiner Sicht die drängendsten Fragen der bundesdeutschen Bildungspolitik? Und wie sollten die Antworten lauten? Welche der Forderungen würdest du als erstes angehen?

Franziska Koch (VOLT)

Boah, das ist jetzt eine ganz schwierige Frage. Tatsächlich, weil im Prinzip müsste man alles zusammen irgendwie gleichzeitig machen, mit verschiedenen Expertenkommissionen, die sich dafür dann auch einsetzen um.

Kann ich gar nicht so direkt sagen, könntest du die Frage bitte noch mal wiederholen.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Das ist gar kein Problem, denn das ist ja auch relativ viel.

Franziska Koch (VOLT)

Ja, relativ viel. Ich hätte es mir mitschreiben müssen.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Genau. Ist ja auch ein sehr umfangreiches Thema. Genau. Also im Grunde sind die 4 Forderungen Schule und Kita inklusive und zukunftsfähig machen, Ausbildungsoffensive für Lehrer*innen und Erzieher*innen, Sondervermögen Bildung, Bildungsgipfel mit dem Bundeskanzler, aber du sagtest ja gerade am besten alles gleichzeitig.

Franziska Koch (VOLT)

Ja, ja, das eine geht nicht ohne das andere. Also wir brauchen ein Sondervermögen oder eben Investitionen in die Bildung, wenn wir Fachkräfte, Lehrerinnen und Lehrer und Erzieherinnen und Erzieher stärken wollen. Wir brauchen einen Bildungsgipfel, um diese Standards und die Inhalte festzulegen und auf Augenhöhe miteinander diskutieren zu können, in der Hoffnung, dass man dann hoffentlich mal direkt an die Politik rankommt. Weil Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler predigen das ja schon seit Jahren. Auch die Auswirkungen, die wir jetzt ja auch sehen und auch zukünftig sehen werden. Und Inklusion, ja klar, also wir haben immer noch nicht die UN-Behindertenrechtskonvention erfüllt  und dann müssen wir einfach ran. Und ja, das ist auch das tatsächlich, was wir bei uns im Wahlprogramm haben. Ja, also eine inklusive Bildung, und zwar auch wirklich Teilhabe zu gewährleisten und allen Menschen dieselben Chancen zu geben, um nicht auszugrenzen.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Da würden wir bei zwei Sachen, glaub ich, noch mal direkt nachhaken. Zum einen das Thema Finanzierung. Du sagtest, euer Wahlprogramm hat viele konkrete Vorhaben, Vorgaben auch beim Thema oder Vorsätze beim Thema Bildung. Was euer Wahlprogramm an der Stelle relativ wenig verrät, ist die Frage wie das Ganze finanziert werden könnte. Vielleicht habe ich es aber auch überlesen. Kannst du kurz beschreiben, woher das Geld für das Bildungs, also für den großen Wums im Bildungsbereich kommen soll? Wie steht ihr als Volt eigentlich zum Thema Schulden, die die nächste Generation betreffen?

Franziska Koch (VOLT)

Das ist eine sehr gute Frage, die stellt man sich ja immer. Also jede Partei, die vorgibt, wir machen dies und das, und das fragt man sich ja immer, wie man das finanziert werden soll.

Wir sagen ganz klar, dass die Schuldenbremse reformiert werden muss. Also da steht auch in unserem Wahlprogramm tatsächlich ganz klar drin, wir wollen Nettoinvestitionen in der Infrastruktur, Bildung, Klimaschutz und Digitalisierung. Wir wollen, dass Steuerschlupflöcher geschlossen werden, und wir haben auch drinstehen, dass wir eine progressive Vermögensteuer einführen wollen. Ab einem Vermögen von mehreren Millionen Euro. Damit möchten wir unter anderem eben auch die Bildung finanzieren, weil wir müssen, glaube ich, wegkommen von dem Begriff Schuldenbremse, sondern eher sagen, das ist eine Investitionsbremse und gerade eben für diese wichtigen Bereiche wie Bildung, ja.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Ihr beschreibt das Thema Inklusion als Voraussetzung für einen diskriminierungsfreies Bildungssystem.

Man hat das Gefühl, da hat es mal jemand verstanden. Warum denkst, hakt es beim Thema Inklusion in nahezu allen Lebensbereichen? Und warum schaffen wir  es vielleicht als Gesellschaft nicht, Inklusion auch und vor allem im Bildungsbereich uneingeschränkt zu gewährleisten.

Franziska Koch (VOLT)

Tja, warum ist das so? Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube einfach, dass es hier genau wieder dasselbe ist, wie mit den Kindern und Jugendlichen an. Es gibt halt keine Lobby dafür. Ja, es gibt keine Menschen… also es gibt Menschen, die sich dafür einsetzen, die gesagt, ihr sitzt ja hier vor mir, die sich auch dafür einsetzen, aber das sind, es sind halt nur im Vergleich halt zu anderen Themen in der Politik halt nur verhältnismäßig wenige und ich gehe davon aus, dass es einfach auch daran liegt und wir müssen da lauter werden. Müssen auch sagen, „Wir wollen das, wir wollen eine chancengleiche Gesellschaft und das auf allen Ebenen, also auch eben für Menschen, die eine Behinderung haben“. Und ich sehe das eben so auch, dass es nicht so ist, dass die Menschen an sich eine Behinderung haben und dann behindert sind, weil sie etwas nicht können, sondern dass die gesellschaftlichen Umstände und das System sie behindert in dem, was sie eigentlich können.

Und das müssen wir ändern, und das wollen wir auch mit Volt. Und das steht auch ganz klar drin, du hast ja gesagt, wir haben schon verschiedene Punkte da drin stehen, also genau also, wie zum Beispiel auch hier individuelle Inklusionsbudgets für Bildungseinrichtungen, dass die halt dann auch entsprechend investieren und ausstatten können. Wir haben aber auch sowas drin, dass wir mehr Inklusionshilfen brauchen. Ich hatte selbst bei uns in der Kita hatten wir ein Kind, die Inklusionshilfe benötigt hat, und ich weiß, dass es für die Eltern immer schwierig war, da jemanden zu finden, auch langfristig. Und das müssen wir einfach institutionalisieren. Ja, also es darf nicht irgendwie ein Projekt sein, ein kleines Angebot, was man nebenher finanziert wird, sondern es muss ganz klar gesetzlich auch festgelegt werden, dass es das gibt und dass es hier in diese Qualitätsstandards auch einfließt. Zum Beispiel genau.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Ja, wir haben vorhin schon mal das Thema Föderalismus und Finanzierung und alles mögliche ein bisschen angesprochen. Ich packe es noch mal zurück, genau in diese Richtung.  Geld und Verantwortung sind nämlich oft zentrale Dreh und Angelpunkte für das Ge- oder Misslingen von eben solchen Verbesserungen. Der Bund verweist in den Verantwortlichkeiten auf die Länder und die Länder auf die Kommunen. Die Kommunen wiederum wollen gerne im Sinne ihrer Selbstverwaltung agieren, die Vorgaben und Gelder aber von Ländern und Bund. Die Finanzkraft hängt damit leider allzu oft davon ab, wie vor Ort die Ansiedlung von Wirtschaft und Industrie stattfindet. Das schafft unterschiedliche Voraussetzungen, um die gleiche Aufgabe zu bewerkstelligen. Überall hört man, die Kommunen hätten klamme Kassen und müssten Einsparungen vornehmen. Meist trifft es dabei die Bereiche Kultur, Sport, Jugend und Soziales, also eben genau die Bereiche, die Familien betreffen. Braucht es eine ganz neue Finanzierungsstruktur, damit Länder und Kommunen ihre Aufgabe zuverlässig erledigen können? Wenn ja, habt Ihr auch dafür  eine Vision?

Franziska Koch (VOLT)

Also ich würde jetzt sogar sagen, ganz klar ja, also weil es funktioniert ja jetzt momentan nicht so, wie es angelegt ist. Und ich hatte am Anfang schon gesagt, dass wir in unserem Wahlprogramm geschrieben haben dafür, da bin ich auch vollkommen überzeugt von auch als ehemalige Wissenschaftlerin, dass wir eine schrittweise Auflösung dieses föderalistischen Systems brauchen.

Also das im Prinzip auch Bundesgelder direkt auch bis an die Kommunen fließen können.

Das kann über Staatsverträge vereinbart werden, wo ganz klar die Zuständigkeiten und eben auch die finanziellen Vereinbarungen geregelt sind. Aber eben im Gegenzug auch, dass wir einheitliche Qualitätsstandards brauchen – auch über die Länder hinweg. Weil wir, wenn wir halt überall unterschiedliche Qualitätsstandards haben, auch unterschiedliche Chancen haben, und wir kriegen keine gleichen Chancen hin, wenn jeder irgendwie unterschiedliche Sachen macht.

Das heißt jetzt nicht, dass man jetzt irgendwie allen alles aufoktroyieren will und ganz genau sagen will „du darfst das, du darfst das nicht“. Als Beispiel die Kita-Platzsuche, die funktioniert überall ganz unterschiedlich, von Kommunen, Gemeinden, überall. Wir haben halt gesagt, „OK, das reicht uns nicht“, also und ich hatte es selbst gemerkt, ich war in verschiedenen Bundesländern mit meinen Kindern schon in Kita-Einrichtungen und es war überall komplett unterschiedlich und wir fordern eben eine digitale einheitliche Plattform für die Kita-Platzvergabe. Das ist eben für Kommunen, Länder, Bund also auf allen Ebenen leichter wird für die Eltern da den richtigen Kita-Platz zu finden. Wir fordern aber zum Beispiel auch ein kostenfreies Bildungssystem, und zwar bundesweit. Das heißt also kostenlose Kita-Plätze, also von 0 Jahren aus an, also ab Geburt.

Und wir wollen außerdem auch um das, was ja jetzt auch aktuell hier auch in Potsdam Thema gewesen ist, wir wollen kostenloses und gesundes Kita und Schulessen, also Frühstück und Mittagessen, weil das sind einfach ja grundlegende Standards, die wir brauchen, um eben diese Chancengleichheit auch zu erfüllen.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Und die brauchen auf jeden Fall ein anderes Finanzierungssystem.

Wir sind schon fast am Ende. Wir kommen zur letzten Frage noch mal so ein bisschen global denkender, weil die Welt besteht ja nicht nur das Bildungssystemen. Der Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine führte vor 3 Jahren fast 4 Jahren zu einer massiven Investition in die Bundeswehr.

Nun gibt es neben dieser Bedrohung aber noch viele weitere Herausforderungen, die im Besonderen nicht uns, sondern vor allem die nachfolgenden Generationen mit voller Härte treffen werden. Stichworte sind hier unter anderem Klima und Demokratie.

Brauchen wir nicht auch für diese Themen ähnlich massive Investitionen in unseren Kindern und den Kindeskindern einen erlebbaren Lebensraum und ihnen Werkzeuge für die zukünftigen Herausforderungen zu geben?

Franziska Koch (VOLT)

Ja, auf jeden Fall. Das wäre meine Antwort darauf.

Ja, also das brauchen wir auf jeden Fall. Also wir können unsere Kinder nicht ja und die Jugendlichen in so eine Welt schicken, wo wir nicht auch explizit da reininvestieren. Sondern wir wollen ja Kinder jetzt auch großziehen und ihnen sagen können „Hey in Zukunft, wir strengen uns an für dich“ und nicht sagen, „wir sparen für dich alles kaputt“. Sondern wir müssen halt investieren sonst funktioniert das System nicht und wir werden alle davon profitieren. Am Ende, also es wird sich auszahlen in allen Bereichen. Wenn wir jetzt investieren, dann werden wir später daraus die Gewinne fahren. Ja, also wir müssen langfristig denken.

Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

OK, dann ermöglicht es uns ja noch eine kleine Frage, doch noch reinzuschieben als Rückfrage. Social Media ist Segen und Fluch zugleich. Es stellt sich immer mehr auch als große Gefahr für unsere Demokratie dar. Australien hat mit Beginn des Jahres des Nutzungsalters für Social Media auf 16 Jahre festgesetzt, auch wegen konkreter Vorkommnisse unter Jugendlichen.

Was hältst du für den besten Umgang mit dem Thema Socia Media – ausschließen, regulieren oder begleiten und was braucht es dafür?

Franziska Koch (VOLT)

Ich bin der Meinung, dass wir alles als Paket tatsächlich brauchen.

Also wir brauchen einmal eine Begrenzung im Alter, tatsächlich. Weil das kann man auch im Studien nachlesen, dass Kinder und Jugendliche die Konsequenzen nicht richtig einschätzen können. Also diese ganzen Zusammenhänge, die da auch entstehen, unter anderem eben auch, weil sie nicht richtig begleitet werden. Und es ist auch etwas, was ich auch immer wieder auch in der Schule beispielsweise auch anspreche. Wir brauchen Medienkompetenz von Klein auf an, meinetwegen sogar auch schon ab Kita. Also fänd ich auch sinnvoll. Man muss es ja natürlich auch immer altersgerecht gestalten, aber ich find das nicht in Ordnung, dass man in der Grundschule im Prinzip schon darüber diskutieren muss, wieso eigentlich Medien-Kompetenz nicht ab erster Klasse auch notwendig ist. Und da sage ich, muss ich ganz ehrlich sagen, ich finde es halt wichtig.

Wichtig, dass wir da eben auch wieder einheitliche Standards haben. Dass man nicht als Organisation, wie ihr oder eben als Eltern, darüber diskutieren muss, sondern dass wir halt wirklich hier eine allumfassende Bildung haben. Weil ich finde eben auch, sowohl in der frühkindlichen Bildung als eben auch dann später in der Grundschule und weiterführenden Schule, ist es eben nicht nur lesen, schreiben, also gerade auch in der Grundschule, sondern wir brauchen halt eben mehr, und dazu gehört eben auch diese Medienbildung und Begleitung, Aufklärung sowohl für Kinder und Jugendliche als eben auch für die Eltern. Weil ich den tatsächlich auch den Eindruck habe, auch die Erfahrung gemacht habe, dass selbst Eltern teilweise die Konsequenzen und die Probleme gar nicht so bekannt oder bewusst sind.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Das können wir bestätigen. Vielen Dank, vielen Dank, dass das noch so kurzfristig geklappt.

Wir wünschen dir einen guten und fairen, einen heißen Wahlkampf. Es ist ja noch ein bisschen Zeit, und wenn man es das erste Mal macht, ist es bestimmt super aufregend. Ganz viele tolle Erfahrungen. Wir drücken euch die Daumen und wir sehen uns ganz sicher wieder nach dem 23. Februar an der einen oder anderen Stelle.

Franziska Koch (VOLT)

Ja, da würde ich mich sehr freuen.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Vielen Dank.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

So, und dann haben wir noch die Kinderfrage. Die Kinderfrage kommt heute von Jolanda, Jolanda ist 11 Jahre alt.

Und Jolanda fragt, „Was wünscht du deinen Kindern für die Zukunft, wenn sie so wie du jetzt 38 Jahre alt sind?“

Franziska Koch (VOLT)

Ich wünsche meinen Kindern auf jeden Fall eine friedliche Zukunft mit einer Gesellschaft, die Vielfalt lebt und sich auch als Vielfalt versteht und niemanden ausgrenzt. Wo Menschen die gleichen Chancen haben, egal woher sie kommen, was sie mitbringen und dass es auch verstanden wurde bis dahin, dass Klimaschutz nicht eine Einschränkung ist, sondern dass wir alle davon profitieren würden, auch in Zukunft.

Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)

Vielen Dank.

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