Der Podcast zum Nachlesen
aufgezeichnet am 8.1.2025 im Rechenzentrum
Isabelle Vandré (Die Linke)
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Heute sind nicht wir zu Gast – sondern wir haben einen Gast, eine Gästin, in unserem Lilabor im Potsdamer Rechenzentrum. Uns gegenüber sitzt Isabel Vandré von der Partei Die Linke. Isabel war von 2014 bis 2024 Abgeordnete im Brandenburger Landtag und sitzt seit 2019 auch in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Sie ist erstmals Direktkandidatin für den Bundestag. Schön, dass du dir Zeit nehmen konntest.
Isabelle Vandré (Die Linke)
Vielen Dank für die Einladung.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Zum Einstieg wollen wir gerne eine Kleine entweder oder Runde starten. Bereit, los geht’s!
Instagram oder Tagesschau.
Isabelle Vandré (Die Linke)
Tagesschau.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Reden oder machen?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Machen.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Potsdam oder Berlin?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Potsdam.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Gymnasium oder Gemeinschaftsschule?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Gemeinschaftsschule.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Looking for freedom oder Wind of change?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Looking for freedom.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
07:00 Uhr oder 09:00 Uhr?
Isabelle Vandré (Die Linke)
09:00 Uhr.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Noten oder keine Noten?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Keine Noten.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Gießkanne oder Schlauch?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Schlauch.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Mittagsschlaf oder Mittagsruhe?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Mittagsschlaf.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Kita für die Kinder oder Kita für die Wirtschaft?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Kita für die Kinder.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ja, vielen Dank. Kita für die Kinder oder Kita für die Wirtschaft haben wir dich eben gefragt. Tatsächlich wurde Kindertagesbetreuung über viele Jahrzehnte allein als Mittel zum Zweck gesehen: Damit Mütter und Väter arbeiten gehen können, brauchte es ein Betreuungsangebot für die Kinder, die noch nicht in der Schule sind. Doch eigentlich ist Kita viel mehr. Die frühkindliche Bildung legt viele wichtige Grundsteine, die Kinder beim Großwerden benötigen und die auch wichtig bleiben, wenn aus den Kindern Erwachsene werden.
Glaubst du, das Bewusstsein dafür, dass Kita kein Betreuungsangebot ist, sondern einen wichtigen Baustein in der Bildungsbiografie eines jeden Kindes bildet, ist in der Bundespolitik angekommen? Warum gelingt es uns bislang nicht, bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für die Kita zu garantieren? Und wie begegnet man den Vorbehalten der Bundesländer, die ihre Hoheit in der Bildungspolitik gefährdet sehen?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Also ich merke das in den letzten Jahren durchaus, Stück für Stück, das Verständnis dafür gewachsen ist, dass mit frühkindlicher Bildung der Grundstock für alles weitere gelegt wird. Dass Kindertageseinrichtungen keine Aufbewahrungsorte für Kinder sind, um sie irgendwie zwischenzuparken, sondern dass da unglaublich viel wichtige Arbeit stattfindet, die essenziell dafür ist, wie es dann in der Schule auch weitergeht und welche Chancen dann auch Kinder und Jugendliche in ihrem späteren Leben haben. Aber ich nehme sehr wohl wahr, dass es immer noch eine Debatte ist, diesen Stellenwert auch in die politischen Rahmenbedingungen zu übertragen. Aalso, Bildung ist ja Ländersache, Kita ist aber vornehmlich kommunale Aufgabe und wir streiten uns ja sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene seit vielen, vielen Jahren über Kleinigkeiten wie Betriebskostenabrechnungen oder aber feilschen um jede einzelne Betreuungsstunde, die irgendwie dazu kommt, und es wird dem Stellenwert überhaupt nicht gerecht. Und ich glaube tatsächlich, dass einen Wandel in der Wahrnehmung nur über die Bundespolitik passieren kann, darüber, dass wir politisch geeint in allen Bundesländern an den Punkt kommen zu sagen, „OK, was sind die qualitativen Standards? Was muss als Mindestausstattung da sein? Wie unterstützen wir die Kommunen und die Länder darin, diese Aufgaben auch bestmöglich umzusetzen und dafür zu sorgen, dass alle Kinder die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu Bildung haben und auch übrigens darin gefördert werden, was ihre Fähigkeiten und auch ihre Vorlieben sind und darin unterstützt werden.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Danke dir. Als wir unsere letzte Podcast-Reihe zur Bundestagswahl aufgezeichnet haben, war Corona noch ein bestimmendes Thema. Damals war die große Rede davon, dass nach der Pandemie gerade für die Jüngeren – also für die Kinder und Jugendliche – etwas getan werden muss, da sie als Bevölkerungsgruppe besonders unter den Auswirkungen zu leiden hatten.
Wie ist dein Eindruck – ist das erfolgt, und wenn dann auch ausreichend oder haben die Krisen der letzten Jahre hier andere Prioritäten gefordert? Wo gibt es Aufholbedarf?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Wurde es umgesetzt? Ist was passiert? Nein, überhaupt nicht. Also ich bin ja nicht nur politisch aktiv, sondern ich bin auch in einem Sportverein im Vorstand und muss aus der Perspektive auch sagen, dass wir sehr wohl wahrnehmen, dass sich bei den Jugendlichen sehr, sehr viel geändert hat. Wir haben viele Kinder und Jugendliche, die massiv unter den Auswirkungen der Krisen leiden nach wie vor.
Wir haben ein zunehmendes Suchtverhalten. Wir haben Probleme mit Gewalt. Wir haben Probleme darin, dass Kindern und Jugendlichen immer noch der Raum der Begegnung und des Miteinanders fehlt, und ich bin ehrlicherweise sehr enttäuscht über die letzten Jahre, weil wir zwar immer sagen, dass Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind, aber eigentlich ist es nur eine Plattitüde, weil dem überhaupt gar keine Priorität eingeräumt wird. Wir haben als Landtagsfraktion beispielsweise in den Landtag die Idee eingebracht, „Warum ermöglichen wir es nicht allen Kindern und Jugendlichen, dass sie jetzt in den nächsten Jahren einfach kostenlos beispielsweise in Sportvereinen dabei sein können, dass sie zum Musik- oder Kunstunterricht gehen können?“
Wir können die Jahre nicht aufholen, die den Kindern in ihren jeweiligen Entwicklungsphasen verloren gegangen sind, aber wir können dafür sorgen, dass sie jetzt die notwendige Unterstützung bekommen, die sie so dringend brauchen, und dass sie jetzt, und zwar unabhängig vom finanziellen Background der Eltern, die Möglichkeit haben, was zu erleben, sich zu treffen, sich auszutauschen, ihren Fähigkeiten und ihren Interessen nachzugehen.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Als KiTa-Elternbeirat engagieren wir uns in verschiedenen Bündnissen, unter anderem dem Bündnis KiTA !ST, dem KiTAKOLLAPS-Aktionsbündnis und der bundesweiten Kampagne Bildungswende JETZT. Letztere hat sich in den vergangenen zwei Jahren aus einer Vielzahl von Bildungsbetroffenen gebildet, ihr im September 2023 veröffentlichter Appell wird getragen von fast 300 Organisationen. Gemeinsam fordern sie
1.) Schule und Kita INKLUSIV und ZUKUNFTSFÄHIG zu machen,
2.) eine AUSBILDUNGSOFFENSIVE für Lehrer*innen und Erzieher*innen,
3.) eine SONDERVERMÖGEN Bildung mit nachfolgend ausreichender Finanzierung sowie einen vom Bundeskanzler einberufenen BILDUNGSGIPFEL auf AUGENHÖHE.
Was sind aus deiner Sicht die drängendsten Fragen der bundesdeutschen Bildungspolitik? Und wie sollten die Antworten lauten? Welche der Forderungen würdest du als erstes angehen?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Ich glaub das allererste oder eine der ersten Forderungen, die wir dringend umsetzen müssen, ist die nach dem Fachpersonal. Das heißt also, dass wir in den Schulen ausreichend Lehrkräfte, aber nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Schulsozialarbeiterinnen, Schulpsychologinnen, das heißt multiprofessionelle Teams, die die Kinder und Jugendlichen unterstützen. Wir brauchen Erzieherinnen und Erzieher, die entlastet werden durch mehr Personal, die auch übrigens Unterstützung erfahren, vor kurzem eine Diskussion mit Schülerinnen und Schülern, die gerade den Erzieherinnen Beruf lernen und abgesehen davon, dass sie Geld mitbringen müssen, um überhaupt diesen Beruf zu erlernen, haben die noch mal so ganz, ganz viele Anregungen mitgegeben, was mir gar nicht so bewusst war. Die haben zum Beispiel gesagt, in der Wintersaison, wenn die Kids alle krank sind, haben sie das Problem, dass sie ständig irgendwie in die Apotheke rennen, von den paar Euro, die sie bekommen oder die sie zur Verfügung haben und sich dafür Medikamente kaufen müssen. Warum nicht den Auszubildenden, Erzieher*innen beispielsweise das zur Verfügung stellen, dass sie auch auf ihre Gesundheit achten können? Schon bei so Kleinigkeiten einfach eine Unterstützung erfahren. Lange Rede kurzer Sinn: Es geht vor allem um die Fachkräfte. Darum, dass Fachkräfte Zeit und Kapazitäten haben, um Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu unterstützen und zu fördern. Das ist für mich der Dreh- und Angelpunkt, da geht ganz, ganz viel über die Bezahlung und über die Attraktivität der Berufe und ich glaube, dass das der Türöffner dafür ist, dass wir dann auch die qualitativen Standards erhöhen können, dass wir dafür sorgen können, dass die Kinder dann in den Einrichtungen bessere und vielfältigere Angebote bekommen, weil momentan ist es leider so, dass schlicht und ergreifend die Kapazitäten dafür fehlen.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ja, danke. Euer Wahlprogramm spricht von dringend nötigen Investitionen im Bildungsbereich. Woher soll das Geld dafür kommen? Die Bildungswende JETZT!-Kampagne fordert ein Sondervermögen Bildung in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro und jährlich mindestens 10% des Brutto-Inlands-Produkts für Bildung und Forschung. Woher nehmen? Wie steht ihr als Die Linke in dem Zusammenhang zum Thema Schulden, die die nachfolgende Generation belasten könne?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Ich finde als allererstes, dass die Schuldenbremse weg muss, weil die Schuldenbremse ist de facto eine Investitionsbremse, die uns daran hindert, zukünftige gute Rahmenbedingungen für die Zukunft für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Deswegen muss als allererstes die Schuldenbremse fallen und der zweite Punkt, der uns als Linken total wichtig ist – die Reichtumsverteilung in diesem Land ist zum Nachteil derjenigen mit geringen Einkommen. Was wir erleben, ist, dass diejenigen, die schon viel Geld haben, noch reicher werden. Und die, die wenig Geld haben, immer stärker jeden einzelnen Cent, jeden einzelnen Euro umdrehen, ohne zu wissen, was sie sich am Ende des Monats überhaupt noch leisten können. So und deswegen sind wir die einzige Partei, die sagt, „Wir müssen hier an die Umverteilung ran“. Und das bedeutet, dass wir jetzt beispielsweise durch eine Abschaffung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel die Mehrheit entlasten, aber gleichzeitig dazu die Einkommensteuer beziehungsweise die Vermögensteuer massiv nach oben setzen. Jetzt gibt es bei vielen den Vorbehalt zu sagen, „Jetzt nehmt ihr uns allen das Geld weg.“. Ich kann alle Menschen, die noch keine Millionen erreicht haben, beruhigen und sagen, die erste Million soll steuerfrei bleibe. Erst bei über einer 1 Million – und da muss man erst mal hinkommen – schlagen wir vor, dass wir die Vermögenssteuer erhöhen und dann vor allem ab der Milliardärsteuer dann nochmal mehr oben drauf packen. Das haben wir durchgerechnet und kommen da auf Mehreinnahmen von 108 Milliarden und damit hätten wir die 100 Milliarden, die wir für die Bildungswende brauchen.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ihr fordert in eurem Wahlprogramm inklusives Lernen in allen Bildungseinrichtungen. Unter anderem sollen Förderschulen umstrukturiert und sonderpädagogisches Personal flächendeckend an Regelschulen eingesetzt werden. Warum hakt es beim Thema Inklusion in nahezu allen Lebensbereichen. Warum schaffen wir es als Gesellschaft nicht, Inklusion – auch und vor allem im Bildungsbereich – uneingeschränkt zu leben?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Weil ich das Gefühl habe, dass in den letzten Jahren die Ellenbogen-Mentalität größer geworden ist, dass alle zuallererst auf sich selbst gucken und auf das eigene Vorankommen und es ist viel, viel schwerer fällt mitzudenken, mittlerweile. Also wir haben die UN-Behindertenrechtskonvention. Wir wissen, dass alles, dass wir bei Kleinigkeiten wie den Bau von neuen Gebäuden darauf achten müssen, dass keine Barrieren eingebaut werden, sondern dass wir darauf verzichten. Dass wir sukzessive in den Städten, in den Kommunen, die Barrieren weiter abbauen, dass wir Kinder und Jugendliche nicht voneinander trennen, sondern gucken, dass sie gemeinsam aufwachsen, dass sie miteinander und voneinander lernen, weil das auch übrigens soziale Kompetenzen mit sich bringt. Das alles wissen wir auf einer rationalen Ebene und trotzdem wird bei Entscheidungen, wenn es nicht eingefordert wird, wird es immer wieder vergessen und übergangen. Und ich glaube, dass wir auf allen Ebenen zum einen Leute brauchen, die das immer wiede einfordern, das heißt also durch Repräsentanz, durch Behindertenbeauftragte beispielsweise, durch Initiativen oder aber auch durch Leute wie euch, die im Bildungsausschuß oder im Jugendhilfeausschuss da sitzen und sagen, „Leute, nein, wir müssen was anders machen. Wir müssen viel, viel breiter denken.“ Das ist das eine und das andere ist: Natürlich braucht es dafür auch die finanziellen Ressourcen und die finanziellen Mittel, um es zur Verfügung zu stellen. Und was mir auch auffällt ist, es gibt krasse Vorbehalte in Bezug auf unser Vorhaben des gemeinsamen Lernens. Wir sagen als Linke,“ das ist total wichtig und notwendig, weil niemand ausgeschlossen werden darf, alle Kinder miteinander lernen sollen und müssen“, und dann kommt ständig das Argument,“ ja, aber die Kinder mit Förderbedarf, die würden ja dann darin untergehen und bekommen nicht die Unterstützung, die es braucht“. Nur die Lösung ist ja nicht, sie dann rauszunehmen und irgendwie gesondert zu behandeln, sondern dann muss man ansetzen und sagen, „OK, was brauchen denn die Kinder und Jugendlichen, um auch mit ihren Freunden in die Schule zu gehen, mit den Nachbarskindern, die sie seit vielen, vielen Jahren kennen, mit denen sie spielen auch die Möglichkeit zu haben, in eine Klasse eingeschult zu werden?“. Da müssen wir doch ansetzen, statt sie rauszunehmen und irgendwo anders hinzuschicken.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Über fast allem steht das Thema Fachkräfte. Im Osten sorgt aktuell die sinkende Geburtenrate für freie Kitaplätze. Mehr Personal für weniger Kinder – könnte man denken. Eine echte Qualitätsoffensive – könnte man denken. Doch nein, weniger Kinder bedeutet auch, dass weniger Fachkräfte finanziert werden. Das Problem – zu wenig Fachkraft pro Kind – bleibt also. Hoch qualifizierte Fachkräfte, um die Jahre lang gerungen wurde, müssen entlassen werden, obwohl die sozialen Auffangsysteme überlaufen und Termine zum Beispiel bei Psycholog*innen und Therapeut*innen nicht zu bekommen sind.
Wäre jetzt nicht also der beste Zeitpunkt, Verbesserungen zu schaffen, um das System in der Hinsicht grundlegend zu verbessern? Was hält uns ab?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Die Finanzen. Es ist immer…und immer wieder kommen wir genau auf den Punkt, dass das alles natürlich bezahlt werden muss. Und wir sind gerade in der Situation, wo wir irgendwie in dieser Stadt jährlich 50.000.000 € einsparen müssen. Und der erste Reflex, den es gibt, ist bei sogenannten „freiwilligen Leistungen“ alles Zusammenzukürzen und darauf zu verzichten, Kinder und Jugendliche zu unterstützen oder in der Kultur zu streichen und so weiter und sofort. Das ist aber der vollkommen falsche Ansatz, weil uns das zehnmal auf die Füße fallen wird. Und so ist es auch mit den Personalschlüsseln. Wir diskutieren darüber, dass Kinder viel stärker unterstützt werden müssen, und zwar von Anfang an. Diejenigen, die das zumindest irgendwie verstanden haben, gucken dann aber wieder auf die Zahlen, auf den Schlüssel und sagen „Nein, dann nehmen wir die Erzieherin raus oder stecken sie woanders hin oder lassen sie woanders arbeiten.“. Das ist aber vollkommen falsch.
Ich würde mir wünschen, dass wir die Debatte eher dahin bekommen, jetzt darüber zu reden, „was denn dann möglich wäre, was wir ausprobieren könnten in den Kitas, um die Qualität auszuweiten und sich die Zeit zu nehmen, um Bildung, frühkindliche Bildung so zu organisieren, wie auch übrigens die Kita-Erzieher*innen sie sehr, sehr, sehr gerne umsetzen wollen würden, wenn sie denn die Kapazitäten dafür hätten?“
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ja, das Fachkräfteproblem besteht ja quasi nicht nur in dem Bereich von Kitas und Schulen.
Welche Möglichkeiten siehst du für die Gesellschaft und den Staat, bei der Diskussion um Fachkräfte regulierend einzugreifen und vielleicht besonders Berufe zu fördern, die es in Zukunft wirklich braucht, damit die Wirtschaft eben nicht die Menschen mit viel Geld lockt, aber das gesellschaftliche, soziale Leben nicht mehr funktioniert?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Ich hab ja schon gesagt, dass wir eine Partei sind, die darauf abstellt, umzuverteilen und „Umzuverteilen“ bedeutet nicht nur in Bezug auf Erbschaftsteuer oder in Bezug auf Milliardärsteuer oder sowas, sondern ich glaube, was wir uns eigentlich gesellschaftlich gelingen muss, ist diese perfide Logik von mit Immobilienspekulationen, mit solchen Jobs hat man eine größere Chance, ganz, ganz viel Geld zu scheffeln, was man niemals ausgeben kann, und es ist viel, viel attraktiver gerade als im gesellschaftlichen Bereich zu arbeiten. Wir müssen es irgendwie schaffen, dass der gesellschaftliche Bereich viel, viel stärker unterstützt wird, attraktiver wird. Ich glaube, das geht vor allem über Bezahlung. Das geht aber dann mehr Personal. Es geht darüber, dass die Ausbildungsbedingungen verbessert werden. Und ja, das bedeutet auch, dass ein Staat mit Anreizen, mit gezielter Förderung in die Vorhand gehen muss. Das ist vielleicht erstmal teurer und ist erstmal eine Summe, die zur Verfügung gestellt werden muss. Aber ich bin der Auffassung und der Überzeugung, dass sich das auf lange Perspektive nicht nur rechnet, sondern dass es viel, viel wertvoller und sinnvoller für unsere Gesellschaft ist, zu sagen, lass uns darüber reden, dass Kita-Erzieher*innen, zukünftige Kita-Erzieher*innen einfach schon in ihrer Ausbildung wirklich ein gutes Gehalt bekommen, von dem man leben kann und nicht noch bei den Eltern leben muss und Angst davor haben muss sich eine Wohnung zukünftig zu leisten. Warum kriegen die Leute beispielsweise nicht eine geförderte Wohnung und noch mal eine unterstützte Wohnung zur Verfügung gestellt?
Ja, also warum gibt es nicht die Debatte darüber, genau solche Anreize, die, glaube ich von Bundes- und Landesebene kommen müssten, damit diese Jobs attraktiver werden und mehr Leute sich finden und sagen, „ja, aus voller Überzeugung, ich bin dabei“. Es gibt total viele, die wirklich dafür und die Lust darauf haben, die aber natürlich auch daran denken, „wie werde ich mal perspektivisch meine Familie durchbekommen?“ und diese Zukunftsängste, Befürchtungen müssen wir jungen Leuten nehmen, indem wir sagen, „Hey, das ist total super, dass du dich dafür interessierst. Wir unterstützen dich darin, dass du dich für diesen Beruf aktiv entscheidest.“
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Geld und Verantwortung – du hast es gerade gesagt – sind oft zentrale Dreh- und Angelpunkte für das Ge- oder Misslingen von Verbesserungen. Der Bund verweist in den Verantwortlichkeiten auf die Länder und die Länder auf die Kommunen. Die Kommunen wiederum wollen gern im Sinne ihrer Selbstverwaltung agieren, aber die Vorgaben und Gelder von Ländern und Bund haben. Die Finanzkraft hängt vor Ort jedoch allzu oft von der Ansiedelung von Wirtschaft und Industrie ab. Das schafft unterschiedliche Voraussetzungen, um die gleiche Aufgabe zu bewerkstelligen. Überall hört man, die Kommunen hätten klamme Kassen und müssten Einsparungen vornehmen. Du hast es gerade gesagt, meist trifft es dabei die Bereiche Kultur, Sport, Jugend und Soziales – also genau die Bereiche, die Familien betreffen.
Du kennst nun beide Seiten der Medaille – warst Landespolitikerin und erlebst in der Stadtverordnetenversammlung ganz aktuell ein umfassendes Sparprogramm: Braucht es eine neue Finanzierungsstruktur, damit Kommunen ihre Aufgaben erledigen können? Wenn ja, wie könnte die aussehen?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Ich glaube, was wir vor allem brauchen, ist das Ende dessen, das politische Ebenen gegeneinander agieren. Du hast gerade gesagt, wir erleben das an jeder Stelle, das nur aufeinander gezeigt wird mit dem Finger, statt daran zu arbeiten und sich zusammenzusetzen und zu überlegen, „wer kann denn bestmöglich welche Verantwortung übernehmen und wie kann man sich gegenseitig unterstützen?“. Mhm. Das ist, glaube ich, die alles entscheidende Aufgabe. Ich glaube, über die Details von „wieviel Prozent von wem kommt“, kann man sich austauschen und dann unterhalten. Was wir aber gerade erleben, ist wie gesagt, dass Kommunen alleine gelassen werden, das Land irgendwie dazwischen steht und der Bund die Hände in die Luft reißt und sagt, „Wir sind nicht zuständig“. Deswegen finde ich, dass auch Teil eines Bildungsgipfels, beispielsweise der Impuls dafür sein muss, die Finanzen neu zu organisieren und neu auszurichten. Und wie das konkret aussehen muss, ich glaube, das muss man mit den Ebenen dann auch gemeinsam verhandeln. Aber Fakt ist, so wie es jetzt gerade ist, darf es nicht weitergehen, weil so alles nur gegeneinander ausgespielt werden.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ja. Der Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine führte zu einer massiven Investition in die Bundeswehr. Nun gibt es neben dieser Bedrohung noch weitere Herausforderungen, die im Besonderen nicht nur uns sondern vor allem die nachfolgenden Generationen mit seiner Härte treffen werden. Stichworte sind hier unter anderem Klima und Demokratie. Brauchen wir nicht auch für diese Themen ähnlich massive Investitionen, um unseren Kindern und Kindeskindern einen erlebbaren Lebensraum und ihnen Werkzeuge für die zukünftigen Herausforderungen zu geben?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Also ich find die die 100 Milliarden, für die hab ich absolut gar kein Verständnis, weil just in dem Moment, in dem klar war OK, Russland hat die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen, es gibt Krieg, der unglaublich nah ist und die gesamte, ja, die friedliche Zukunft Europas steht hier gerade auf der Kippe, war der erste Impuls zu sagen, „wir schieben 100 Milliarden in die Rüstung“, statt darüber zu sprechen, „*******, wie können wir das denn auch auf diplomatischem Weg gerade lösen, wie begegnen wir dem denn, was können wir tun, um jetzt nicht in so einen Taumel zu verfallen?“. Und ich habe die Wahrnehmung, dass wir da gerade nicht rauskommen, sondern es gibt immer nur diese Spirale von wir heizen das weiter an und das müssen wir endlich hinter uns lassen. Deswegen finde ich es total richtig, zu sagen, „OK, wir müssen die Krisen, die wir haben, mindestens genauso mit finanziellem Rückhalt, mit finanziellen Ressourcen angehen wie jetzt diese Frage.“ Ich finde es eine vollkommen falsche Prioritätensetzung, die da durch die aktuelle Bundesregierung erfolgt ist und habe dafür vor allem kein Verständnis, weil mit den Grünen ja jemand an der Bundesregierung ist, die eigentlich für ökologische Fragen total fall brennen und da ist mir aber deutlich zu wenig passiert, sondern da müsste es viel, viel mehr Anreize und viel, viel mehr Unterstützung und Forschungsfinanzierung und so weiter und so fort geben.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ja, vielen Dank. Social Media ist Segen und Fluch zugleich. Es stellt sich immer mehr auch als große Gefahr für unsere Demokratie dar. Australien hat mit Beginn des Jahres das Nutzungsalter für Social Media auf 16 Jahre festgesetzt, auch wegen konkreter Vorkommnisse unter Jugendlichen. Was hältst du für den besten Umgang mit der Herausforderung Social Media – ausschließen, regulieren oder begleiten? Was bräuchte es deiner Meinung nach dafür?
Isabelle Vandré (Die Linke)
Ich bin echt kein Fan von Verboten, weil ich glaube, dass Verbote Dinge immer attraktiver. Ich glaube, das Wichtigste ist es einen Umgang damit zu lernen und ich weiß, dass Lehrkräfte da auch überlastet sind und das immer mehr Erwartungen auf sie einprasseln und gerade Demokratieförderung, die total wichtig ist, oder auch ein reflektierter, emanzipatorischer Umgang mit sozialen Medien ist was, was irgendwie immer eingefordert wurde, so in den letzten Jahren und nach und nach gewachsen ist. Aber dafür braucht es eben auch die Unterstützung der Lehrkräfte. Auch die müssen wissen, was passiert da eigentlich. Wir müssen als Erwachsene viel genauer hingucken, was passiert eigentlich auf diesen Plattformen? Und ich würde mir eher wünschen, dass wir auf der einen Seite genau diese Begleitung haben, das heißt, dass Kinder und Jugendliche lernen, mit sozialen Medien umzugehen, mit Fake News umzugehen, zu zuschauen was sind die Auswirkungen auch von diesem scheinbar anonymen Internet, in dem man irgendwie alles reinpusten kann. Was sind die, was sind die Konsequenzen jetzt auch für Menschen hat, die davon betroffen sind, die das Konsumieren und zum anderen finde ich ganz klar, müssen auch die Regularien in den sozialen Netzwerken viel, viel stärker erfolgen also heißt, soziale Medien sind keine rechtsfreien Räume, sondern durch Plattform-Regularien müssen auch klare Grenzen gesetzt werden. Ich erinnere daran, als Elon Musk beispielsweise Twitter jetzt x übernommen hat, war die Zunahme von antisemitischem, rassistischem oder auch antifeministischem Content einfach so eklatant spürbar und auch zurückzuführen auf die Änderung der Nutzungsbedingungen, dass man daran gesehen hat, dass es sehr wohl Regularien gibt, die man umsetzen könnte, wenn man denn den Willen dazu hat. Das heißt also, ich würde eher darauf setzen, Regularien für die sozialen Netzwerke, Begleitung, Verbote bringen uns nicht weiter.
Robert Witzsche (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ja, vielen Dank. So viele spannende Themen. Wir würden, könnten gerne noch Stunden weitermachen, haben aber die badewannenkompatible Zeit schon überschritten. Heißt, wir sind schon am Ende unseres Podcasts. Vielen Dank, dass du da warst. Wir wünschen dir einen guten, erfolgreichen, fairen Wahlkampf, ganz viel Kraft und sehr kurzer Wahlkampf. Dieses Mal. Von daher alles Gute dir! Vielen Dank.
Isabelle Vandré (Die Linke)
Vielen Dank euch für die Einladung und für euer Engagement.
Catharina Kahl (KiTa-Elternbeirat Potsdam)
Ja, Oh, wir haben da auch noch was vergessen. Wir haben eine Kinderfrage, und zwar fragt uns diesmal ein Theo:
„Hallo, mein Name ist Theo, ich bin 7 Jahre alt, ich würde gern wissen, an wie vielen Wahlen du schon teilgenommen hast.“
Isabelle Vandré (Die Linke)
Also als Kandidatin hab ich an 2 Landtagswahlen und 2 Kommunalwahlen teilgenommen und jetzt zum ersten Mal an der Bundestagswahl. Und gewählt habe ich, seitdem ich 18 Jahre alt bin. Jetzt bin ich 35 ich müsste durchrechnen, wie viele Wahlen das waren.
Aber ich kann sagen, dass ich an jeder Wahl teilgenommen habe und und danke dir für deine Frage. Die ist sehr spannend.