Augen auf! Die Kinder! Jetzt! Familien brauchen Perspektiven

Vielleicht haben wir uns inzwischen einfach daran gewöhnt. Daran, dass die Kita geschlossen und der Urlaub aufgebraucht ist. Daran, dass die Spielplätze gesperrt und die Musikschulen geschlossen sind. Daran, dass wir zwischen Kundentelefonat und Video-Meeting mit unseren Kindern spielen, lernen, kochen und kuscheln. Und ja, das geht alles – irgendwie. Und ja, wir machen das gern – irgendwie. Für die Gesundheit – irgendwie. Für die Gesundheit der Gesellschaft.

„Für die Gesundheit” ist auch das, was wir in den letzten Wochen immer wieder aus den Mündern der Politiker und auch der WIssenschaftler hören. All die Maßnahmen, die uns seit Wochen beschäftigen, dienen ja irgendwie der Gesundheit. Und das auch erfolgreich. So erfolgreich, dass Politik und Wissenschaft anfangen, erste Lockerungen der Maßnahmen zu beschließen. Für die Gesundheit? Nein – für Wirtschaftskreisläufe, Lieferketten und vergleichbare Abschlüsse. Für alle? Nein, vor allem für die, die eine Lobby haben. Eine laute Lobby. Und wer fällt hinten runter? Vor allem die Kinder. Und die Gesundheit der Kinder.

Nachdem sich die Politik nun – auch auf Anraten der Wissenschaft – dazu entschieden hat, Kindertagesstätten und Grundschulen jenseits der jeweiligen Abschlussklassen bis mindestens zum Sommer nicht zu öffnen, rückt dieses wichtige Thema nun endlich mehr in den Fokus der Berichterstattungen. Zahlreiche Zeitungen und Magazine berichten darüber und beschäftigen sich aus verschiedenen Perspektiven mit dieser Entscheidung, die Bundesfamilienministerin plant eine Arbeitsgruppe. Das ist gut so. Und doch wird immer klarer, dass es bisher kaum um die Gesundheit der Kinder ging, um ihre psychologische Situation, um ihre sozial-emotionale Entwicklung und um ihre – für die späteren vergleichbaren Abschlüsse so wichtige – elementare Bildung.

Das muss aufhören. Die Politik muss endlich auch auf die Kleinsten achten. Ihnen eine Perspektive geben. Und die vielen Einschränkungen, die sie betreffen, ebenso flexibel und mit Augenmaß lockern, wie es für Baumärkte, Taufen und Oberschulen bereits getan wurde. Sie und die Familien, die die Einschränkungen besonders hart treffen, müssen endlich gehört werden. Sie und ihre Eltern müssen an den Gesprächen und Überlegungen zum weiteren Umgang mit Kindertagesbetreuung, Schule, Sport und Freizeit mit einbezogen werden. Jetzt!

Der KiTa-Elternbeirat Potsdam fordert Politik und Verwaltung in Stadt und Land auf, sich zeitnah zu den folgenden wichtigen Themen zu positionieren:

1. Familien brauchen eine Perspektive
Derzeit heißt es, Kindertagesstätten bleiben bis auf Weiteres geschlossen, für die Grundschüler jenseits der Übergangsjahrgänge gibt es keine klare Aussage. Hier braucht es deutliche Worte und einen klaren Zeitplan, der sich am aktuellen Kenntnisstand orientiert. Berlin spricht von einem Regelbetrieb ab 1. August 2020. Ist das auch für Brandenburg realistisch? Und wenn ja, was genau ist am 1. August anders als am 1. Juli oder 1. Juni? Einen Impfstoff wird es bis dahin genauso wenig geben wie massentaugliche Medikamente. Die Familien brauchen hier ehrliche Aussagen der Politik – ein “Wir warten noch zwei Wochen” und “Wir warten noch drei Wochen” darf es bei den Einschränkungen, die die aktuelle Situation vor alle für die Familien haben, nicht mehr geben. Hierbei empfiehlt sich vermutlich auch ein Blick in Länder wie Dänemark oder Norwegen, die bei der Rückkehr in die “Normalität” einen anderen Weg gegangen sind und vor allem Kitas und Grundschulen wieder geöffnet haben. Sollten die Fallzahlen dort im familiennahen Umfeld in den nächsten zwei Wochen nicht erheblich steigen, sollte auch in Deutschland über zeitnahe Öffnungen gesprochen werden.

2. Vorschulkinder brauchen ihren Übergang
Für die vielen tausend Vorschulkinder, die im Sommer in die Schule kommen sollen, fällt aktuell die wichtigste Phase der Vorbereitung auf den nächsten Lebensabschnitt weg. Wir halten es für außerordentlich wichtig, dass diese Kinder noch vor dem Sommer eine adäquaten Abschlussphase der Kita-Zeit in ihren Gruppen und mit ihren Erzieher*innen erleben können. Hierfür sollten bauliche und personelle Voraussetzungen geprüft und festgelegt und ein realistischer Zeitplan entwickelt werden.

3. Kreative Lösungen für Krippen- und Kitakinder
Statt die Kindertageseinrichtungen per se geschlossen zu halten, müssen hier dringend Lösungen gesucht werden, die dem Kindeswohl dienen und die die Familien entlasten. Neue und bereits benannte Ideen wie eine wechselnde Vor- und Nachmittagsbetreuung oder wechselnde Kurzwochen von Montag bis Mittwoch bzw. Donnerstag bis Freitag sollten mit Träger- und Elternvertreter*innen besprochen, geprüft und – wo möglich – zeitnah umgesetzt werden.

4. Kindertagespflege sofort wieder öffnen
Die Gruppengröße der Kindertagespflege entspricht in den meisten Fällen der, die für die Gruppen der Notbetreuung festgelegt wurde. Hier betreut immer die gleiche Tagespflegeperson immer die gleichen max. 5 Kinder in den gleichen Räumen. Bei Großtagespflegestellen sollte die Entscheidung abhängig von den Möglichkeiten der Räumlichkeiten getroffen werden. Tagespflegepersonen, die zur Risikogruppe gehören, sollten ihre Einrichtungen ohne finanzielle Einschränkungen geschlossen halten dürfen.

5. Schließzeiten flexibel gestalten
Nachdem viele Eltern, unter ihnen auch Erzieher*innen mit Kindern, ihre Urlaubstage für das aktuelle Jahr nahezu aufgebraucht haben, sollten für die meist in den Sommerferien liegenden Schließzeiten flexible Lösungen gefunden werden. Erste Träger haben bereits angedeutet, dass sie auch während der ursprünglich geplanten Sommerschließzeit eine Betreuung sicherstellen oder individuelle Lösungen mit betroffenen Eltern suchen wollen. Ein solches Bekenntnis wünschen wir uns landesweit von den Trägern der Kindertageseinrichtungen.

6. Kleine Spiel- und Sportplätze wieder öffnen
Neben den großen Spiel- und Sportflächen in den Städten sind vielfach auch kleine Plätze – vor allem in Wohngebieten und in der Verwaltung von Vermietern – geschlossen. Auf diesen Anlagen haben schon vor der Corona-Krise selten mehr als zwei, drei Kinder gleichzeitig gespielt. Die Ansteckungsgefahr hier ist also nicht größer als in Straßenbahnen oder im Supermarkt. Und sowohl Eltern als auch Kinder sollten inzwischen so sensibilisiert sein, dass ihnen hier durchaus eine sachliche Entscheidung zugetraut werden kann.

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