Kritik von allen Seiten? Vor allem aber eine Aufforderung an die Stadtverordneten, Vorlagen, über die sie entscheiden sollen, vorher gründlich zu prüfen, zu hinterfragen und zu diskutieren. Nur so können Entscheidungsdebakel wie in den letzten Jahren verhindert werden.
Warum hat das zwei Jahre länger gedauert als geplant? Warum kommt es jetzt auf 28 Tage an? Und woran liegt es, dass sich Kostenpauschalen verdreifacht haben? Der Auftrag geht hier ganz klar AN alle Seiten – an die Verwaltung, an die Träger und an die Kommunalpolitiker.
Aber lest selbst:
Stellungnahme des KiTa-Elternbeirates Potsdam zum geplanten Sofortbeschluss der „Richtlinie über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Kindertagestätten in freier Trägerschaft in der Landeshauptstadt Potsdam (Kita-Finanzierungsrichtlinie – KitaFR)“ am 4. November 2020
Am 4. November 2020 soll in der Stadtverordnetenversammlung über den Verwaltungsvorschlag zur neuen Kita-Finanzierungsrichtlinie per Sofortbeschluss entschieden werden. Der KiTa-Elternbeirat ist irritiert über das nun dargelegte Tempo und das geplante Übergehen der entsprechenden Fachausschüsse. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den geplanten Änderungen und Anpassungen ist somit weder Ausschussmitgliedern noch den Stadtverordneten möglich.
Mit dem Beschluss 16/SVV/0673 vom 25. Januar 2017 wurde festgelegt, dass die „Richtlinie über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Kindertagestätten in freier Trägerschaft in der Landeshauptstadt Potsdam (Kita-Finanzierungsrichtlinie – KitaFR)“ vom betreffenden Fachbereich „fortwährend, spätestens alle zwei Jahre“ überprüft und weiterentwickelt werden soll. Noch im August 2019 wurde in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses ein Konsens für Ende September 2019 angekündigt. Im hauptsächlich zuständigen Fachausschuss hat danach keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Richtlinie stattgefunden. Über ein Jahr später soll der ausschließlich zwischen Trägern und Verwaltung abgestimmte Entwurf nun ohne jede weitere Diskussion beschlossen werden. Dies ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
Die Herleitung der im Verwaltungsentwurf abgebildeten Kostensteigerungen ist für die Stadtverordneten, die darüber entscheiden sollen, nicht nachvollziehbar. Im Rahmen einer transparenten Politik halten wir es für unumgänglich, die Ermittlung bzw. Kalkulation der Pauschalen zu einem verbindlichen Teil der Vorlage zu machen. Ohne das Wissen darüber, warum sich ausgewählte Kosten binnen drei Jahren mehr als verdreifacht haben, kann kein Stadtverordneter guten Gewissens entscheiden. Gleiches gilt im Übrigen für die Bedarfsermittlung der Träger – auch diese sollte Teil der Vorlage sein. Stadtverordnete müssen den tatsächlich erforderlichen Bedarf kennen, um über die zu verwendenden städtischen Mittel entscheiden zu können.
Auch eine rechtliche Prüfung war den Stadtverordneten in der kurzen Zeit nur schwerlich möglich. Welche Auswirkungen die textlichen Änderungen und Ergänzungen haben könnten, lässt sich weder aus dem Entwurf noch aus der Synopsis erkennen. So entspricht z.B. der neu eingefügte §2 Abs. 4 nicht der aus der Begründung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG 6 B 6.18, Abs. 20-21) hervorgehenden Klarstellung, dass sich das Verrechnungsverbot von Elternbeiträgen und Eigenleistungen auch auf die eigentlichen Mietkosten (Kaltmiete) bezieht und nicht nur auf die Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten. Darüber hinaus ist es erneut versäumt worden, im §9 Abs. 3 klarzustellen, dass Eltern nicht nur durch die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme, sondern in keiner Weise an den Eigenleistungen des Trägers beteiligt werden dürfen. Eine sachbezogene Diskussion im Fachausschuss auch unter Beteiligung des Rechtsamtes erscheint uns als sinnvoll.
Inhaltliche Ergänzungen, wie z.B. die Aufnahme einer Empfehlung zur Höhe der häuslichen Ersparnis (in §7 Abs. 3) auf Basis der für die Kindertagespflege ermittelten Summe, werden durch den Wunsch nach Sofortbeschluss verhindert.
Wir erkennen durchaus die Dringlichkeit einer rechtsgültigen KitaFR für die Verwaltungsarbeit der freien Träger. Ob eine einmonatige Verschiebung der Entscheidung (nach über 20 Monaten Verspätung) allzu ausschlaggebend ist, stellen wir in Frage. Wir halten eine Überweisung in den Jugendhilfeausschuss am 26.11.2020 und eine Entscheidung in der Stadtverordnetenversammlung am 2.12.2020 für notwendig. Ein Beschluss in diesem Jahr und das rückwirkende Inkrafttreten der Richtlinie zum 1.1.2020 sind allerdings unabdingbar.
Darüber hinaus muss der in der Vorlage 20/SVV/1124 enthaltene Auftrag zur fortwährenden Überprüfung und Weiterentwicklung terminlich gebunden werden. Das Inkrafttreten einer ausführlich in den Fachausschüssen diskutierten und ggf. überarbeiteten Kita-Finanzierungsrichtlinie zum 1. Januar 2022 sollte in die Vorlage aufgenommen werden.