Es ist absurd. Die Pandemie ist jetzt ein gutes Jahr alt. Sie hat laufen gelernt. Sprechen auch ein bisschen. Sie spielt mit uns. Sie weint. Sie schreit. Und wir? Was haben wir gelernt? Was tun wir? Wir diskutieren auch nach einem Jahr darüber, ob Kitas und Grundschulen geschlossen werden müssen, um „die dritte Welle zu brechen“ (MAZ Twitter). Da können doch eigentlich auch gleich die Spielplätze wieder mit Flatterband abgesperrt werden. Oder? Ja? Nein? Vielleicht?
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Wir haben viel gelernt. Verschiedene Zahlen zum Beispiel. Inzidenz. R-Wert. Positivquote. Neue Wörter auch. Intensivregister. Mutante. Lockdown. Hart, härter, am härtesten. Und immer dann, wenn die Zahlen steigen und wir nicht wissen, was wir noch machen können, fallen uns Kitas und Schulen ein. Schließen, schreien die Gewerkschaften. Schließen, schreien die Experten. Schließen, schreit die Politik. Denn wenn wir Kitas und Schulen drei Wochen schließen, dann wird alles gut.
So wie in der ersten Welle, als Kitas und Schulen über zwei Monate geschlossen waren. Und so wie nach der zweiten Welle, als z.B. in Brandenburg Kitas durchgängig geöffnet waren und die Zahlen trotzdem rapide gesunken sind. Nicht falsch verstehen: Auch Kitas und Schulen spielen beim Infektionsgeschehen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Und aktuell wirkt es auch so, als ob Kinder in größerem Umfang betroffen sind als noch in der ersten Welle. Aber all das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kinder und ihre Bildungsorte weder „Treiber der Pandemie“ sind noch das mit dem Schließen von Kitas und Schulen die Pandemie endlich beendet werden kann.
Nun könnte man argumentieren, dass eben jede*r einen Beitrag leisten muss. Stimmt. Aber Kinder, Jugendliche und Familien leisten bereits an vielen Stellen einen großen Beitrag. Sie verzichten auf Treffen mit Freunden, auf Freizeitaktivitäten, auf Sport, Hobbys und oft auch auf ihre Großeltern. Nehmen wir ihnen nicht auch schon wieder die Basis – den strukturierten Tagesablauf, die Gruppe aus Gleichaltrigen, die elementare Bildung. Sorgen wir lieber dafür, dass die Rahmenbedingungen stimmen und geöffnete Kitas und Grundschulen einen sicheren Ort für Bildung, Psyche und Gesundheit bilden – für Kinder und Pädagog*innen.
Ein tragfähiges Testkonzept, durchdachte Hygienepläne und zeitgemäßer Hybridunterricht sollten flächendeckend längst umgesetzt sein. Das Tragen von Masken, der Einsatz von Lüftungsgeräten und die Arbeit in festen, kleinen Gruppen müssten längst Alltag sein. Mal ganz abgesehen von den großen Herausforderungen – dem langsamen und bürokratisierten Impfen, der weiterhin unzureichenden Ausstattung einiger Gesundheitsämter – personell und technisch – oder den offensichtlich fehlenden Testkapazitäten. Wie kann es sein, dass auch nach einem Jahr Pandemie immer noch nicht flächendeckend alle Kontaktpersonen 1. Grades umgehend getestet werden? Wie kann es sein, dass nach über einem Jahr Pandemie Gesundheitsämter und Labore an Wochenenden und Feiertagen immer noch verzögert melden? Wie kann es sein, dass wir uns auch im zweiten Jahr der Pandemie bei Entscheidungen fast ausschließlich am Inzidenz-Wert orientieren?
Wir brauchen ein Umdenken. Einen anderen, einen erweiterten Blick auf die Zahlen. Weniger Wahlkampf und Stimmungsmache. Mehr Maßnahmen, die dort ansetzen, wo die Infektionen stattfinden. In Firmen, Fabriken, im Privaten und – ja, auch in Schulen und Kitas. Statt „Schließen! Schließen! Schließen!“ muss es „Testen! Testen! Testen!“ heißen. Infektionen erkennen. Infektionsketten unterbrechen. Und gleichzeitig damit umzugehen lernen, dass dadurch auch die Inzidenz steigt. Denn: Jede rechtzeitig erkannte Infektion verhindert Folgeinfektionen.
Schicken wir einfach alle nur nach Hause, verbreiten sich die Infektionen im Privaten munter weiter. Auch auf den Spielplätzen. Und dann bräuchten wir wieder Flatterband.
– Ein Kommentar vom Vorstand des KiTa-Elternbeirats Potsdam –