Warum Variante 4? Warum jetzt?

Aktuell diskutieren Jugendhilfeausschuss und Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam über verschiedene Modelle, die zu stadtweit (weitestgehend) einheitlichen Kita-Elternbeiträgen führen sollen. Dabei müssen neben der Einheitlichkeit auch die soziale Verträglichkeit und die Rechtskonformität eine wichtige Rolle spielen. Aus Sicht des KiTa-Elternbeirats kann das nur eines der in der Vorlage 21/SVV/0818 aufgeführten Modelle. Warum es aus unserer Sicht nur Variante 4 sein kann, wollen wir hier an drei Stichpunkten darlegen.

Einheitlichkeit

Trägerübergreifende einheitliche Elternbeiträge sieht das Brandenburgische Kitagesetz nicht vor, sie lassen sich auch nicht erzwingen. Man kann zwar, wie in Variante 2 und 5, einheitliche Beiträge empfehlen. Das jedoch führt nicht zwangsläufig zu stadtweit einheitlichen Beiträgen (siehe: Umsetzbarkeit). Der KiTa-Elternbeirat spricht deswegen seit jeher von „annähernd“ oder „beinahe“ einheitlichen Beiträgen. Diese werden durch Variante 4 ermöglicht, denn nach Abzug der Grundstücks- und Gebäudekosten unterscheiden sich die Höchstbeiträge nach unseren Berechnungen maximal um Beträge im mittleren zweistelligen Bereich. Die Differenz spiegelt dann ausschließlich konzeptionelle Unterschiede in Angebot und Ausstattung wieder.

Umsetzbarkeit

Eine Empfehlung bleibt eine Empfehlung – mag sie auch noch so gut gemeint sein, und mag auf den ersten Blick auch wenig dagegen sprechen, dass sie nicht von allen Beteiligten umgesetzt wird. Der Teufel liegt wie sie oft im Detail – oder in der Auslegung von Gerichten. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre wird es dem einen oder anderen Träger vielleicht nicht so leicht fallen, eine Empfehlung allein auf Vertrauensbasis umzusetzen. Problematisch wird dabei vor allem die Vorgabe des Kita-Gesetzes, dass die kommunale Fehlbedarfsfinanzierung nur dann verpflichtend wird, wenn der Träger alle „zumutbaren Einnahmemöglichkeiten“ ausgeschöpft hat.

Dies wiederum wäre mit Blick auf die Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, bei den zur Diskussion stehenden Empfehlungen in Modell 2, 3 und 5 nicht der Fall.

Rechtslage

Ob die Grundstücks- und Gebäudekosten, die gemäß §16 Absatz 3 Satz 1 des Brandenburgischen Kita-Gesetzes von den Gemeinden zu tragen sind, auf Elternbeiträge umzulegen sind, wird seit Jahren vielfach diskutiert. Im Rahmen der Mitteilungsvorlage, aber auch in den Ausführungen der Stadtverwaltung, werden immer wieder das OVG-Urteil zu diesem Thema als aktuelle Rechtsprechung sowie ein Schreiben des MBJS als deren aktuelle Rechtsauffassung genannt. Letzteres ist mit Vorsicht zu genießen, da das MBJS bislang immer nur das OVG-Urteil zitiert, ohne selbst eine Einschätzung dazu zu formulieren. Im OVG-Urteil dagegen bezieht sich OVG-Präsident Joachim Buchheister ausschließlich auf die Betriebskostennachweisverordnung (BKNV) und die dortige Aufführung der grundstücks- und gebäudebezogenen Kosten als Betriebskosten. Dass in dieser Auflistung auch Personalkosten aufgeführt sind, deren Nicht-Umlegbarkeit unstrittig ist, wird dagegen nicht erwähnt. Auch verpasst es das OVG – anders als das VG Potsdam – auf die Gesetzesbegründung aus 1992 zu schauen. Wenn darin auf die Formulierung „die Trägerleistung wird durch Elternbeiträge gemindert.“ die Formulierung „Die Trägerleistungen werden weiter dadurch verringert, daß die Gemeinde Grundstück und Gebäude stellt und für die Erhaltung und die Bewirtschaftung sorgt.“ folgt, lässt sich schon am Wortlaut erkennen, dass der Gesetzgeber Grundstücks- und Gebäudekosten klar von den Elternbeiträgen trennt. Nur, weil etwas jahrelang falsch gemacht wird, wird es nicht automatisch richtig. Oder um es mit den Worten des OVG-Präsidenten zu sagen: „Ständige Rechtsprechung kann auch ständiges Irrtum bedeuten.“

Unabhängig von der favorisierten Variante muss bei der Neuregelung sowohl der Höchstbeitrag (je Angebotsform), das Höchsteinkommen, der Einstiegsbetrag (für die Familien, die knapp über der Beitragsbefreiungsgrenze liegen), die Staffelung (sowohl in der Anzahl der Stufen als auch in der Steigerungsfunktion) und der Einkommensbegriff stadtweit (mindestens annähernd) einheitlich empfohlen oder festgelegt werden.

Höchstbeitrag

Für die Ermittlung des Höchstbeitrages (je Angebotsform) favorisiert die Verwaltung Variante 2 der Vorlage. Dabei wird der stadtweit niedrigste trägerbezogene Höchstbeitrag (je Angebotsform) anhand der Träger-Kalkulationen ermittelt und als Empfehlung für alle anderen Träger ausgesprochen. Aus Sicht des KiTa-Elternbeirats müsste die Wahl auf Variante 4 treffen, bei der die Kosten für Grundstück und Gebäude aus den Ermittlungen der trägerbezogenen Höchstbeiträge (je Angebotsformen) heraus- bzw. in diese gar nicht erst hineingerechnet werden. Dies entspräche in unserer Lesart dem eigentlichen Gedanken des Kita-Gesetzes von 1992 und sollte sich auch nicht mit dem Verweis auf ein OVG-Urteil verwerfen lassen. Alle anderen berechneten Varianten (1, 3 und 5) können wohl vernachlässigt werden.

Höchsteinkommen

Hier schlägt die Verwaltung für die Varianten 2 und 5 zwei Methoden vor und stellt in diesen Varianten so auch eine „Einheitlichkeit“ her. Für die Varianten 1, 3 und 4 hat sie das nicht getan, womit eine Vergleichbarkeit aller fünf Varianten nicht möglich ist. Aus unserer Sicht sollte die Ermittlung des Höchsteinkommens jedoch unabhängig von den beiden vorgeschlagenen Methoden erfolgen und regelmäßig – mindestens alle zwei Jahre – evaluiert werden. Wir schlagen vor, für das Höchsteinkommen das doppelte durchschnittliche Haushaltseinkommen einer Potsdamer Familie mit Kindern heranzuziehen. Die für die Berechnung erforderlichen Werte lassen sich den Publikationen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg (Durchschnittseinkommen) bzw. des Bereichs Statistik und Wahlen der Landeshauptstadt Potsdam (Haushaltsgröße) entnehmen.

Einstiegsbeitrag

Auch hier schlägt die Verwaltung in den Varianten 2 und 5 zwei Methoden vor, in den Varianten 1, 3 und 4 dagegen nicht. Wir schlagen hier vor, den vom Land Brandenburg erstatteten Kostensatz für Familien mit Anspruch auf Beitragsbefreiung zurate zu ziehen und diesen als Wert 0 in der Staffelung anzusetzen. Daraus resultieren in der ersten Stufe der Beitragsstaffel je nach Höchstbeitrag und Betreuungszeit Kosten um die 20 €, was für Familien knapp über der Beitragsbefreiungsgrenze leistbar sein sollte.

Soziale Staffelung

Hier gibt es in der Vorlage keinen konkreten Vorschlag. Aus unserer Sicht ist es unabdingbar, dass alle Träger die gleiche Anzahl an Stufen (max. 3.000 € pro Stufe) mit der gleichen Kostenfunktion anwenden.

Einkommensbegriff

Auch zu dieser Problematik, die die Ermittlung von Elternbeiträgen seit Jahren begleitet, gibt es keinen konkret formulierten Vorschlag. Aktuell gibt es Elternbeitragsordnungen, die das Elterneinkommen in Brutto, in bereinigtem Brutto (abzüglich eines festen oder mehrerer fester Prozentwerte für Sozialabgaben) oder in Netto definieren – wobei sich auch hier die möglichen Abzüge unterscheiden. In einem Schreiben vom 24.9.2021 weist die AWO Potsdam darauf hin, das seit dem 1.8.2021 nur noch die Netto-Einkommen für die Beitragsermittlung herangezogen werden dürfen. Egal welcher Weg hier gewählt wird: Es muss von allen Trägern in Potsdam die gleiche Methode angewendet und dabei sichergestellt werden, dass die Beitragsbefreiungsgrenze von 20.000 € Netto-Haushaltseinkommen (gemäß KitaBBV) eingehalten wird.

Jetzt ist diese Positionierung schon viel länger geworden als eigentlich geplant. Dennoch ist es wichtig, all das mit zu bedenken. Es gibt wie so oft mehr als eine Perspektive. Und es darf bei diesem so wichtigen Thema nicht (allein) ums Geld gehen – zumal die aktuell vorliegenden Berechnungen leider überhaupt nicht miteinander verglichen werden können.

Es geht nicht darum, die Stadtkasse zu schonen oder Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Auch ist es nicht unser Ziel, möglichst wenig Geld zu bezahlen.

Unser Ziel ist es, endlich rechtskonforme Elternbeiträge im Sinne des brandenburgischen Kita-Gesetzes zu haben, die gemäß der Gesetzesbegründung von 1992 von ganz allein annähernd trägerübergreifend gleich hoch wären.

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