Wissen Sie was? Das geht eben nicht!

Seit mehreren Monaten setzen wir uns dafür ein, dass Familien, die freiwillig (oder gezwungenermaßen) derzeit keine Angebote der Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen (können), von den Elternbeiträgen befreit werden. Ursprünglich ging es vor allem darum, den Familien, die eine anderweitige Betreuung sicherstellen können, einen weiteren Anreiz zu schaffen und so das System zu entlasten. Inzwischen geht es auch darum, dass es durch flächendeckenden Personalmangel teilweise zu extrem verkürzten Öffnungseiten, Notbetreuung oder gar der Schließung von Einrichtungen kommt. Bislang sind wir an allen Stellen, bei denen wir das Thema angebracht haben, abgeblockt – egal ob Ministerium oder Stadtverwaltung. Einzig der Jugendhilfeausschuss der Landeshauptstadt hat sich bislang öffentlich dazu positioniert und nimmt in einem offenen Brief allein das Land in der Verantwortung.

Im März nun hat Die Linke einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, der sich diesem Thema annimmt. Im Vorfeld der Einbringung dessen (Spoiler: Er wurde in den Finanzausschuss überwiesen) hat unser Vorstandsmitglied Catharina Kahl eine eindrucksvolle, emotionale Rede vor den Potsdamer Kommunalpolitiker*innen gehalten, die wir euch nicht vorenthalten wollen.

Unten stehend findet ihr die Worte „einer Potsdamer Mutter“ (MAZ) in Textform. Als Bewegtbild gibt es die Rede in der Aufzeichnung der SVV (ab 03:03:50 h).


Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
verehrte Abgeordnete, liebe Beigeordnete,
Herr Oberbürgermeister,

„für Ihr Kind können wir in der kommenden Woche am Montag und Dienstag keine Betreuung ermöglich. Grund hierfür sind akute Personalprobleme.“

„Im Kindergarten wird morgen nur eine Erzieherin vor Ort sein. Daher können wir nur für diejenigen Kinder eine Betreuung ermöglichen, die diese dringend benötigen.“

„Seit Wochen Monaten herrscht bei uns Personal-Notstand und die Kita-Leitung kümmert sich nicht, bzw das Personal was wir noch haben noch mehr zu unterstützen z.b. durch Leiharbeiter, Stattdessen bekommen die Eltern eine Mail: Personal-Notstand – bitte bringen Sie Ihr Kind später oder holen Sie ihr Kind eher ab bzw. wer kann zu Hause lassen. Da muss man ja Angst haben, wenn man sein Kind in die Kita bringt weil man nun arbeiten ist, dass bei so wenig Personal nicht richtig auf die Versorgung geachtet wird.“

„Auch nächste Woche bleibt die Personalsituation weiterhin angespannt. Es gilt nach wie vor: Wer sein Kind zu Hause betreuen kann, dem sind wir sehr dankbar.“

Ich weiß nicht, wer von Ihnen Kinder in der Kindertagesbetreuung hat. Sätze wie diese sind seit Monaten knallharte Realität für Familien. Trotz oder gerade wegen der hohen Belastungen, die geschlossene Einrichtungen mit sich brachten und bringen, jongliert man das Kind doch nochmal im Homeoffice mit…. Daran scheinen sich manche schon gewöhnt zu haben, a la „das geht doch“ – aber wissen Sie was? Das geht eben nicht! 

Homeoffice ist nach 2 Jahren Pandemie immer noch keine bezahlte Freistellung zur Betreuung der Kinder. Homeoffice ist ARBEITEN von Zuhause und Kinderbetreuung eben Kinderbetreuung.

Entweder leidet die Arbeit oder das Kind – und wenn ich ihnen jetzt erkläre, dass man auf politischer Ebene ziemlich klar aufzeigt, dass der Familienkasse nur dann kein Loch entsteht, wenn man weiter voll arbeitet – spätestens dann ist wohl klar, warum man sich- trotz Wunschkind – für die Arbeit entscheidet. Was dies für die Kinder bedeutet, welche Auswirkungen das auf sie hat, auf ihre innerfamiliären Beziehungen, das werden wir als Gesellschaft zwar erfahren, aber nicht abstellen, weil Kinder eben kosten….

Ja nun, aber was machen Menschen – machen Eltern, wenn die Kita sie so direkt anspricht, ihre Kinder nur verkürzt zu betreuen oder die Eltern das im Zweifel selbst machen sollen? Sie helfen. Sie unterstützen, wo es geht, wann es geht, wenn es geht und solange es geht – zur Not bis man selbst fast umfällt. Aus Solidarität in dieser misslichen Lage.

Denn wir erleben seit zwei Jahren, wie Kita in Pandemie-Zeiten funktioniert: das ohnehin schon große Fachkräfteproblem reißt noch größere Lücken in die Personaldecke – strikte Gruppentrennung ohne Personalwechsel, Krankheitsheitsausfälle und die Sorge vor Ansteckung verdeutlichen die Problemlage und bringen Kitas an den Rand des Möglichen.  Durch die Reduzierung der Öffnungszeiten kann die Personalsituation etwas kompensiert werden – hierfür braucht man aber die Eltern im Boot, die freiwillig den beschiedenen Stundenumfang der Kinderbetreuung reduzieren und damit einhergehend weitere Kompromisse mit ihrer Berufstätigkeit und dem eigenen Erziehungsanspruch machen.

Wir sehen, wie sich viele Einrichtungen und Träger mit viel Kraft und mit der Elternschaft gefundenen Kompromissen gegen die komplette Schließung von Kitas wehren, um nicht in die Notbetreuung zu wechseln. Notbetreuung ist Stand heute zum Glück noch ein rares Szenario. Eines, das erneut Menschen nach ihrer Wichtigkeit sortiert…. Ein schreckliches Szenario, welches das Land hier in der aktuellen Ausgestaltung in die Verantwortung der Träger legt. Sie sollen nun entscheiden, ob wegen Personalmangel Notbetreuung erfolgen muss… ein Umstand, dem sie nicht mal begegnen – den Mangel nicht einmal abschalten – können, weil es schlicht kein verfügbares Personal gibt.

Wir Eltern sind dankbar, dass die Träger und Einrichtungen mit uns bis hierhin solidarisch sind und den Dialog suchen, um das schlimmste abzuwenden.  was sie aber nicht vermögen, ist jene, die keine Leistungen der Betreuung in Anspruch nehmen, von der Bezahlung der Beiträge zu entbinden….

Das liegt heute in Ihrer Verantwortung und darum können wir an der Stelle nur eindringlich appellieren, die Familien in dieser Situation zu entlasten und mit Ihnen solidarisch zu sein, so wie sie es mit den Einrichtungen selbst sind oder mit der pandemischen Situation. Wer seine Kinder zuhause betreuen muss, sollte nicht noch zusätzlich zahlen müssen.

Wir appellieren aber auch: wo immer es Ihnen möglich ist, unterstützen Sie uns, die Kindertagesstätten in Brandenburg mit einer echten Vertretungsreserve auszustatten und für mehr Ausbildung zu sorgen – denn keine Schlüsselverbesserung vermag zu helfen, wenn dafür kein*e Erzieher*in in der Einrichtung ankommt. Und das hätte uns auch in der jetzigen Situation geholfen.

Helfen Sie, dass es in der kommenden Herbst-Winter-Saison nicht wieder so sein muss…..

Catharina Kahl am 3.3.2022 in der SVV der Landeshauptstadt Potsdam

Foto: Screenshot aus Mitschnitt (https://www.potsdam.de/video-der-27-oeffentlichen-sitzung-der-stadtverordnetenversammlung-vom-2-maerz-2022)

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